Papst Benedikt XVI.

Die altbayerische Stadt Freising mit rund 48.000 Einwohnern, etwa 35 Kilometer nördlich von München, ist ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt im Leben von Joseph Ratzinger, der seit 1982 Träger der goldenen Bürgermedaille ist. Auf dem Domberg, zu Fuß auf verschiedenen Anstiegswegen in wenigen Minuten von der malerischen Altstadt aus zu erreichen, finden sich die wichtigsten Stationen Ratzingers dicht beisammen.

Beginn des Studiums in Freising

Beginn des Studiums in Freising

Der damalige Erzbischof Kardinal Ratzinger (Bild: Rainer Lehmann)

Nach den Wirren des zweiten Weltkrieges konnte Josef Ratzinger noch zu Ende des Jahre 1945 in das Priesterseminar in Freising eintreten und das vorgeschriebene viersemestrige Studium der Philosophie an der wiedereröffneten Philosophisch-theologischen Hochschule beginnen. In allen Fächern waren so genannte "Semestralexamina" abzulegen, um in Schlussprüfungen ("Admission") die Zulassung zum Studium der Theologie zu erhalten. Dazu aber wechselte Ratzinger 1947 an die Universität München, deren theologische Fakultät nach dem Neuaufbau einen hervorragenden Ruf genoss. Mit dem Wechsel des Studienortes entschied er sich für die wissenschaftliche Laufbahn auf dem gebiet der Theologie, die in Freising nicht möglich war.

Im Sommer 1950 schloss er das Studium in München mit der von einem bischöflichen Kommisar geleiteten Prüfung, dem so genannten Synodale, ab und übernahm die Bearbeitung der Promotionsarbeit "Volk und Haus Gottes in Augustins Lehre von der Kirche". In dem nun folgenden Jahr 1950/51, dem Alumnatsjahr im Priesterseminar Freising, konnte er sie fertigstellen und termingemäß einreichen. Daneben lief die praktische Ausbildung für das Priesteramt.

Promotion und Priesterweihe

Promotion und Priesterweihe

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In das Jahr 1950 fiel auch Ratzingers Weihe zum Subdiakon und Diakon im Freisinger Dom. Damit besiegelte er die bindende Entscheidung zum Priesterberuf. Mit den diesen höheren Weihen wurde Ratzinger Kleriker des Erzbistums München und Freising - und bleibt es bis heute. Die Priesterweihe, nach alter Tradition im Freisinger Dom im Angesicht des Korbinianschreins, hielt am 29. Juni 1951 der 82-jährige Kardinal Faulhaber. Unter den 44 Kandidaten befand sich auch der Bruder Georg Ratzinger.  Der Film rechts zeigt Ausschnitte der Priesterweihe.

Papst Benedikt XVI. hat folgende kleine Geschichte über seine Priesterweihe erzählt:

»Wir waren über 40 Kandidaten, die auf den Aufruf hin "Adsum" sagten: "Ich bin da"; an einem strahlenden Sommertag, der als Höhepunkt des Lebens unvergesslich bleibt. (...) Als in dem Augenblick, in dem der greise Erzbischof mir die Hände auflegte, ein Vöglein - vielleicht eine Lerche - vom Hochaltar in den Dom aufstieg und ein kleines Jubellied trällerte, war es mir doch wie ein Zuspruch von oben: Es ist gut so, du bist auf dem rechten Weg.«

Am 8. Juni feierten die Brüder in St. Oswald in Traunstein Primiz, und zwar nacheinander, weil eine Konzelebration damals noch nicht möglich war.

Kaplan und Theologieprofessor

Kaplan und Theologieprofessor

Es folgte für Joseph ein Jahr mit zwei Kaplansstellen in der Seelsorge. Er drängte aber nach einem anderen Posten, um seine Promotion abschließen und und in eine wissenschaftliche Laufbahn eintreten zu können. So wurde er am 1. Oktober 1952 als Dozent und Präfekt in das Freisinger Priesterseminar berufen. Er musste nun die Vorlesungen über praktische Sakramentenlehre halten. Ein Hörer dieser Jahre empfand schon damals Ratzingers Vorträge in der Qualität höher stehend als die anderer Dozenten. Tägliche Zelebration der hl. Messe im Dom oder bei den Studenten in der Hauskapelle war eine Selbstverständlichkeit. Vom Wintersemester 1955/56 bis zu seinem Weggang war er auch Studentenseelsorger der Philosophisch-theologischen Hochschule Freising.

Der nächste Schritt war die Habilitation, die den Weg zu einer Professur ermöglicht. Sein Thema "Die Geschichtstheologie des heiligen Bonaventura" hat er 1955 eingereicht. Dabei sah Ratzinger sich dem Vorwurf des Modernismus durch den bekannten Dogmatiker Michael Schmaus von der Katholisch-Theologischen Fakultät in München ausgesetzt. Er musste deshalb seine Habilitationsschrift umarbeiten.

Das Kollegium der Freisinger Hochschule bestand neben Ratzinger aus fünf ordentlichen oder außerordentlichen Theologieprofessoren und fünf in der philosophischen Abteilung. Außerdem gab es einige Lehrbeauftragte. Ratzinger war seit dem 20. Mai 1957 habilitiert und auch Privatdozent für Fundamentaltheologie an der Münchner Fakultät. Am 1. Januar 1958 wurde er zum außerordenlichen Professor der Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Freisinger Hochschule ernannt.

Erzbischof und Kardinal

Erzbischof und Kardinal

Erzbischof Ratzinger betet am Korbiniansschrein

Da er seine Dissertation bei einem Fundamentaltheologen eingereicht hatte, galt er als Vertreter dieses Fachs und wurde später auch als Professor für Fundamentaltheologie nach Bonn einberufen, danach war er an den Universitäten Münster, Tübingen und Regensburg.

Am 25. März 1977 wurde Joseph Ratzinger durch Papst Paul VI. auf den erzbischöflichen Stuhl von München berufen, was ihn nun wieder in Verbindung zu Freising brachte: Nach seiner Bischofsweihe kam er zu einem festlichen Empfang der Stadt und des Dekanats nach Freising. Er versicherte: "Seien Sie überzeugt, dass ich das Meinige tue, dass diese schöne Stadt ihren Platz im Herzen des Bistums behalten kann." Fortan kam der Erzbischof, der bereits wenige Monate später zum Kardinal erhoben wurde, regelmäßig zu den pflichtgemäßen Anlässen nach Freising, an erster Stelle zur Priesterweihe und den beiden Korbiniansfesten, aber auch zu den eher internen Anlässen wie der Bayerischen Bischofskonferenz, Dekanatskonferenz oder den Diözesanratsversammlungen. Das Fest zum zehnjährigen Bestehen des Bildungszentrums Kardinal-Döpfner-Haus feierte er am am 9. Dezember 1978.

Präfekt der Glaubenskongregation und Papst

Präfekt der Glaubenskongregation und Papst

Pontifikalgottesdienst im Freisinger Dom

Am 25. November 1981 wurde der Münchner Kardinal von Papst Johannes Paul II. zum Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre ernannt. Am 13. Februar 1982 verabschiedete sich der Kardinal mit einem Pontifikalgottesdienst im Freisinger Dom. In der Krypta betete er am Schrein des hl. Korbinian.

Seit dem Abzug des Priesterseminars aus Freising war der rechtliche Status des Freisinger Doms unsicher. Es gab Überlegungen, dem Dom den Titel einer "Päpstlichen Basilika" zu verleihen. Da dieser Titel aber häufig und an Kirchen viel geringeren Ranges verliehen wurde, schien er für eine Kirche, die über tausend Jahre Kathedrale eines Bistums gewesen war, zu bescheiden. Kardinal Ratzinger wurde vorgeschlagen, den Freisinger Dom zur Konkathedrale zu machen, was er gegen den Widerstand des damaligen Münchner Domkapitels durchsetzte. Der entsprechende Antrag nach Rom wurde noch vor dem Abschied des Kardinals auf den Weg gebracht. Am 25. Januar 1983 wurde das Dekret in Rom unterzeichnet; es erwähnt ausdrücklich die Fürsprache des nunmehrigen Kurienkardinals Ratzinger.

Auch als Papst hat Benedikt XVI. Freising nicht vergessen. Das zeigt das von ihm gewählte Wappen, in dem der Freisinger Mohr, seit der Zeit um 1300 Wappen der hiesigen Bischöfe und Erzbischöfe, der Bär des hl. Korbinian und die Muschel als Zeichen des hl. Augustinus, der Joseph Ratzingers Weg zum höchsten Kirchenamt begleitet hat, einmütig zusammenstehen.

Papst Benedikt XVI. in Freising, Teil I

Papst Benedikt XVI. in Freising, Teil I

Im September 2006 besuchte Papst Benedikt XVI. im Rahmen seiner Pastoralreise nach Bayern den Freisinger Dom. 50.000 festlich gestimmte Menschen säumten den 3,3 Kilometer langen Weg des Papamobils hinauf auf den Domberg, um einen Blick auf das Oberhaupt der katholischen Kirche zu erhaschen. Der Papst wollte auf den Domberg, auch wenn das vatikanische Protokoll nur 1 Stunde und 15 Minuten für den Besuch vorsah.

Auf dem »Berg der Gelehrsamkeit« war Entscheidendes im Leben von Joseph Ratzinger geschehen: Theologiestudium, Priesterweihe, erste Lehrtätigkeit, später als Erzbischof viele Priesterweihen und die jährliche Teilnahme an der Korbinianswallfahrt zu Ehren des Bistumspatrons.

Alles war trefflich vorbereitet für den hohen Besuch: Im Freisinger Dom - zwei Jahre lang eine der größten kirchlichen Baustellen Europas - erstrahlten die berühmten Deckenfresken von Cosmas Damian Asam und der Stuck von Egid Quirin Asam in neuem Glanz. In der Domkirche versammelt waren Priester, Diakone und Ordensleute aus ganz Bayern. Während sie auf Benedikt XVI. warteten, hatten sie Zeit, mit in den Nacken gelegten Köpfen das Gesamtkunstwerk der genialen Künstlerbrüder zu bestaunen. »Die ganze Kirche will Lust auf Himmel machen«, so der damalige Direktor des benachbarten Dommuseums, Peter Steiner, über die Raumwirkung.

Papst Benedikt XVI. wurde beim Eintreten in das Gotteshaus von Erinnerungen und Emotionen übermannt. Er sah alte Weggefährten wieder und auch viele junge Geistliche, welche die »Fackel des Glaubens weiter tragen«, wie er später sagte. Er erinnerte sich daran, wie er selbst als junger Theologe bei der Priesterweihe auf den Altarstufen des Doms hingestreckt lag, als die Allerheiligenlitanei gebetet wurde. Ihm kam die Handauflegung durch Kardinal Faulhaber in den Sinn, mit der er in die »Gemeinschaft der Freunde Jesu gerufen wurde, um seine Botschaft zu verkünden«. Benedikt XVI. betete am Schrein des heiligen Korbinian. Das wertvolle Reliquiar war eigens aus der Krypta nach oben in den Dom geholt worden, wie das sonst nur bei Priesterweihen und am Korbiniansfest geschieht.

Papst Benedikt XVI. in Freising, Teil II

Papst Benedikt XVI. in Freising, Teil II

Der Papst feierte mit den Priestern und Diakonen einen Wortgottesdienst. Seine vorbereitete Ansprache legte er zur Seite. Wer wolle, könne sie ja später nachlesen, merkte der Papst an, und die Versammlung quittierte es mit Lachen und Applaus. In vielen Formen hatte der Papst während seines Bayern-Besuchs zu den Menschen gesprochen: als Erklärer der Heiligen Schrift und theologischer Mahner bei den großen Freiluftgottesdiensten, als Marienverehrer an der Münchner Mariensäule und in Altötting, als Theologieprofessor in Regensburg, als Familienkatechet beim Gottesdienst mit Kommunionkindern und ihren Eltern in der Münchner Frauenkirche. In Freising sprach er als Priester zu seinen Mitbrüdern, nicht als »Chef«.

Er schilderte die Freude an der eigenen Berufung zum Priester, daran, eingereiht zu sein in die »Prozession der Jahrhunderte, die den Weg des Glaubens geht« als Pilger und Pilgerführer zugleich. Der Papst sprach offen die Nöte der Geistlichen an, vor allem die sinkende Zahl der Priester bei gleichzeitig schwerer werdenden Lasten. Er nannte die Gefahr beim Namen, dass Geistliche ausbrennen und keine Freude mehr an ihrem Dienst haben. Er wollte keine Patentrezepte anbieten, empfahl den Mitbrüdern, die Nähe zu Jesus Christus zu suchen, »mit ihm beisammen zu sein«, ein intensives Gebetsleben zu pflegen. Neben allem Eifer für Christus, gelte es, Demut zu üben und die eigenen Grenzen anzuerkennen. »So vieles müsste getan werden; und ich sehe, ich kann es nicht.« Das gelte auch für den Papst. »Ich sollte so viel tun, aber meine Kräfte reichen dafür nicht aus. So muss ich lernen, das zu tun, was ich kann, und das andere Gott und den Mitarbeitern zu überlassen.« Und noch eine Erfahrung gab der Papst seinen Mitbrüdern aus Bayern mit auf denWeg: »Wir können den anderen nur dienen, nur geben, wenn wir auch selbst empfangen, wenn wir nicht selber leer werden.«

Nach dem Wortgottesdienst nahm sich der Papst noch Zeit, um mit Priestern zu sprechen, vor allem mit denen aus seinem Weihejahrgang 1951. Danach ging es zum nahe gelegenen Flughafen im Erdinger Moos. Zum Abschied bekannte Benedikt XVI., dass die Begeisterung und starke Religiosität der Menschen, die er in den letzten Tagen erlebt hatte, sich in seinem Herzen eingeprägt hätten.